Polizeigesetz-Verschärfung in Berlin?! Nicht mit uns! Info-Veranstaltung zum sogenannten Volksbegehren für mehr Videoaufklärung und Datenschutz

Videoüberwachung SymbolbildIn nahezu allen Bundesländern werden derzeit die Polizeigesetze verschärft und nach einem bundeseinheitlichen Polizeigesetz nach bayerischem Vorbild gerufen. Dass Sicherheitspolitik keine Antwort auf dringende soziale Fragen sein kann, wird immer mehr Menschen bewusst. Die Änderungen der Polizeigesetze treffen zunehmend auf Widerstand und wurden aufgrund der Proteste sogar teilweise auf Eis gelegt. Berlin scheint von einer Änderung des ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz), wie das Polizeigesetz hier heißt, verschont geblieben. Aber stimmt das überhaupt?

Heinz Buschkowsky (ehemaliger Bürgermeister von Neukölln und Bestsellerautor, SPD) und Thomas Heilmann (ehemaliger Justizsenator, hat noch keinen Bestseller geschrieben, CDU) haben sich ein Volksbegehren ausgedacht. Zusammen mit Sabine Schumann (Deutsche Polizeigewerkschaft) und Susanne Klabe (Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen) haben Sie das „Volksbegehren für mehr Videoaufklärung und Datenschutz“ initiiert. Obwohl das Volksbegehren in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde, haben sie dafür schon 21 000 Unterschriften gesammelt. Jetzt liegt es beim Senat und der prüft, ob der Gesetzentwurf überhaupt verfassungskonform ist.

Zweifel daran sind angebracht: Im Kern geht es um eine Änderung des ASOG, des Berliner Polizeigesetzes, und damit um eine Vielzahl neuer Überwachungsmöglichkeiten durch Bild- und Tonaufnahmen im öffentlichen Raum. Bisher ist staatliche Videoüberwachung in Berlin nur ausnahmsweise und auch nur temporär möglich. Das Gesetz soll jetzt aber die Installation von 1000 neuen Überwachungskameras in Berlins Straßen und Plätzen ermöglichen, die noch dazu einen dauerhaften Lauschangriff auf den öffentlichen Raum ermöglichen sollen.

Geworben wird damit, dass immer der „neueste Stand der Technik“ eingesetzt werden soll, der dann aber nicht genauer definiert wird – was im Grunde den uneingeschränkten Einsatz aller möglichen Formen von Überwachungstechnologien ermöglicht.

Dieser Traum der technologischen Lösung sozialer Probleme, gebiert dann solche Ungeheuer wie: „Intelligente Videotechnik soll Kriminalität bereits im Entstehungsprozess erkennen.“(Sabine Schumann, DPolG)

Da solch eine hellseherische Technik (noch) nicht existiert, und obwohl aktuell in einer Studie des Kriminologischen Instituts einmal mehr bewiesen wurde, dass Videoüberwachung nicht nur „kaum oder gar nicht“ wirksam ist bzw. „die Straßenkriminalität im videoüberwachten Bereich sogar zunahm“ soll mit dem Volksbegehren obendrein ein eigenes Institut gegründet werden: das „Berliner Institut für Kriminalprävention“ (BIK), das dann fernab von jeder parlamentarischen Kontrolle den jeweils „neuesten Stand der Technik“ definieren und der Polizei zur Anwendung empfehlen wird.

Es geht also um die weitreichende Durchsetzung von Videoüberwachung und einen Lauschangriff auf den Straßen Berlins, mit der Aussicht auf weitere Überwachungstechnologien.

Währenddessen träumt der neue CDU Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus Dregger von einem Polizeigesetz wie in Bayern. Und Innensenator Geisel hat einen alternativen Gesetzentwurf zur Ausweitung der Videoüberwachung angekündigt.

Zeit, was gegen diesen allgegenwärtigen, gefährlichen Unfug zu tun und uns gegen jegliche weitere Verschärfung des Polizeigesetzes einzusetzen.

Wir fordern die Abschaffung der Videoüberwachung im öffentlichen und halböffentlichen Raum!
Wir fordern die Abschaffung der Konstruktion sog. Kriminalitätsbelasteter Orte!
Wir fordern unabhängige Beschwerdestellen gegen Polizei(-gewalt)!
Wir fordern soziale Lösungen für soziale Probleme!

Der Vortrag kann auf freie-radios.net nachgehört werden.

Nur ein Foto – oder doch mehr? Infoveranstaltung zur Gesundheitskarte

Die gesetzlichen Krankenkassen fordern derzeit ihre Versicherten auf, Passfotos einzusenden. Sie sollen auf die neuen Gesundheitskarten aufgebracht werden, um „Missbrauch“ zu verhindern. Zugleich wird mit Riesenaufwand eine zentrale Telematikinfrastruktur aufgebaut, zu der die Karten den Zugang eröffnen sollen. Auf zentralen Servern sollen möglichst alle Daten aller Versicherten gespeichert werden. Dies würde unbegrenzte Möglichkeiten der Auswertung eröffnen.

Wolfgang Linder, ehemaliger stellvertretender Datenschutzbeauftragter Bremen, jetzt Komitee für Grundrechte und Demokratie und Aktion „Stoppt die e-Card“, gibt eine kurze Einführung in das Interessensgemenge hinter der neue Gesundheitkarte. Der Schwerpunkt der Veranstaltung wird aber auf Kampagnen und möglichen Gegenstrategien liegen. Was tun, wenn die Kasse mein Foto fordert?

Außer Kontrolle: Videoüberwachung in der Stadt

Referent*innen:
Seminar für angewandte Unsicherheit
Eric Töpfer, Zentrum Technik und Gesellschaft an der TU Berlin

Moderation: Christian Schröder, reflect!

Videoüberwachung ist seit den 1990er Jahren im städtischen Raum allgegenwärtig. Keine Fahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr ohne Videoaufzeichnung, kaum ein Schritt in der City ohne Kameraüberwachung, keine Demo ohne polizeiliche Totalüberwachung.

Dabei soll Videoüberwachung längst nicht mehr nur der Kriminalitätsbekämpfung dienen, sondern vor allem auch der Förderung der „weicheren Standortfaktoren einer konsumorientierten Stadt“ , wie Sauberkeit und persönliches Sicherheitsempfinden. Parallel findet die „harte“ Repression bzw. Ausgrenzung von Personen (-gruppen) weiterhin statt. Übertriebene Heilsversprechen und diffuse Zielsetzungen sorgen darüberhinaus für immer neue Einsatzbereiche der Videotechnik.

In zwei Vorträgen soll einerseits in die historischen, rechtlichen und technischen Zusammenhänge eingeführt werden und andererseits eine Diskussion über die politische Dimension dieser Technik und möglichen Gegenstrategien angeregt werden.

reflectures 2010 – Alles unter Kontrolle?