Kameraspaziergänge

Kameraspaziergänge gehören zum festen Aktions-Repertoire des Seminars für angewandte Unsicherheit [SaU].

Auf dieser Seite befindet sich das Archiv der bisherigen Spaziergänge. Wenn ihr Lust habt selbst dabeizusein, schaut am Besten ob gerade Aktionen geplant sind oder tragt euch in unsere Mailingliste ein und bekommt die aktuellsten [SaU] Informationen direkt in euer Postfach

  • Auf unserer Karte sind alle Kameras, die wir im Rahmen der Spaziergänge entdeckt haben, eingetragen.
  • Einen Bericht von einer gemeinsamen Aktion mit der „Leipziger Kamera“ findet ihr hier.

Erfahrungsbericht… (Nov 2007)

Dem unwirtlichen Berliner Wetter trotzend, zieht ein tapferes Grüppchen von vierzig Leuten am Freitagnachmittag durch den Süden Friedrichshains ? in einer ganz besonderen Mission: Den Überwachungsmechanismen in unserem Alltag auf die Spur zu kommen. So zieht der Pulk vorbei an so skurrilen und völlig unerwarteten Erscheinungen wie dem kleinen Restaurant an der Ecke, das vormals seinen Gästeraum filmen liess, einer Zoohandlung, deren Überwachungsbilder sich der Besitzer in Echtzeit in die Privatwohnung übertragen lässt, einem Waschsalon mit Sonderservice Kundenüberwachung, kameraüberwachten Frisierstühlen, einer Videothek, in der die Kund_innen durch Daumenabdruck identifiziert werden und ähnlichen absonderlichen Alltäglichkeiten.

Allen voran läuft die SaU (Seminar für angewandte Unsicherheit), die mit kurzen Vorträgen über Hintergründe, Ursachen und Auswirkungen von Gentrifizierung und Überwachungstechniken ? in Friedrichshain, aber auch anderswo – informiert. So geht die SaU zum Beispiel ein auf die aktuelle rechtliche Situation von Kameraüberwachung in Deutschland – auch im internationalen Vergleich -, auf Data Mining, auf die Erfassung von biometrischen Daten, auch zum Beispiel in Reisepässen, aber auch damit verbunden auf Iris-Scan, Gesichtserkennungsprogramme, sowie weitestgehend auf mögliche Gegenstrategien zum Überwachungswahn.

Was sich anhört wie aus dem neuesten Science-Fiction-Film, ist umso schockierender für die Spaziergänger_innen, da klar ist, dass das alles eben nicht Stoff eines Films, sondern Realität ist, nicht weit entfernt, sondern direkt vor der eigenen Haustür in Friedrichshain statt findet. Amüsant wird es jedoch wieder, als eine dieser Gegenstrategien vor Ort praktisch getestet wird: die I.-r.a.s.c.-Tarnkappe, ein mit LEDs besetztes Stirnband, das das Gesicht der Träger_innen auf dem Kamerabild überblendet.

Zu sehen ist das dann mit Hilfe eines tragbaren Monitors, der an ein Empfangsgerät angeschlossenen ist. Dieses fängt die unverschlüsselten Signale von den Überwachungskameras auf, so dass man aus der Überwachungsperspektive heraus betrachten kann, wie ein Mensch – scheinbar mit Heiligenschein ? durch den aufgerüsteten Waschsalon läuft.

Zum Abschluss des Spaziergangs trifft sich der kälteresistente Rest noch in einem Café zum Aufwärmen und Diskutieren. Selbst wenn der/die Eine oder Andere eine Erkältung davon getragen haben sollte – es hat sich gelohnt.