veranstaltungsreihe 2006-07
In diesem Semester werden wir und mit den Themen Pädagogik,
Psychologie und Psychiatrie auseinandersetzen.
Zeit: 19.00 uhr
Ort: sbz krähenfuß*
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[im Ostflügel der Humboldt-Universität zu Berlin]
[S- und U-Bahnhof Friedrichstraße - Tram M1/12 Am Kupfergraben - Bus 100/200 Staatsoper]
die Themen im Überblick
| mo 15/01/07 | V O R T R A G | Psychologisierung des Alltags - Mobilisierung der Subjekte im Neoliberalismus
| do 18/01/07 | V O R T R A G | Neoliberales Selbstmanagement, Gouvernementalität & Prozac
| do 25/11/07 | V O R T R A G | Heilung oder Normierung – Freiheit oder Steuerung
| mo 29/01/07 | F I L M | Bambule
| do 01/02/07 | V O R T R A G | Wer nicht passt, wird passend gemacht? - Disziplinierung in Schulen
| do 08/02/07 | V O R T R A G | Psychologisierung des Strafvollzugs
| mo 12/02/07 | F I L M | A Clockwork Orange
| do 15/02/07 | F I L M | Engel des Universums
| do 22/02/07 | F I L M | Fight Club
mo 15/01/07 - V O R T R A G - Psychologisierung des Alltags - Mobilisierung der Subjekte im Neoliberalismus
ReferentIn: Christina Kaindl
In der neoliberalen Produktionsweise werden von den Subjekten veränderte
Haltungen zu ihrer Arbeit, zur Gesellschaft, zu ihnen selbst gefordert:
in der Produktion, im Sozialstaat, selbst in den Castingshows im Fernsehen
werden Mobilisierung subjektiver Ressourcen gefordert: individuelle Verantwortung
und Selbstbestimmung, Kreativität, Hingabe und Emotionalität. Psychotechniken und
Psychologisierungen im Alltag sollen den Subjekten für diese Mobilisierung dienen.
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überblick
do 18/01/07 - V O R T R A G - Neoliberales Selbstmanagement, Gouvernementalität & Prozac
ReferentIn: AG Selbststeuerung
Dieser Beitrag befasst sich mit Formen des (auch medikamentösen) Selbstmanagements,
wie sie im Umfeld des Neoliberalismus propagiert werden.
Im Rahmen einer sich selbstverstärkenden ökonomisierung des Sozialen muss das Subjekt
sich als homo oeconomicus, Manager seiner Interessen, als wertproduzierende ICH-AG
verstehen. Die Menschen erfahren sich selbst als zu managende Potenziale,
auszubeutende Körper, "soziale Networker", die alle Bereiche Ihrer Existenz und
ihres sozialen Umfelds für ökonomische Verwertung öffnen (müssen).
Dabei gilt es das Verhältnis von Subjektivierungsprozessen zu Herrschaftsformen zu
kritisieren.
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überblick
do 25/01/07 - V O R T R A G - Heilung oder Normierung – Freiheit oder Steuerung
ReferentIn: Projekt: Willensfreiheit
Die Frage nach dem freien Willen des Menschen hat unterschiedliche Aspekte:
Ein Aspekt der Debatte um Willensfreiheit kreist um das Stichwort der
„Neuroprothesen“. Ein Chip, implantiert im Gehirn eines Parkinsonpatienten
kann „Wunder“ bewirken: Aktiviert der Patient das Implantat, können Bewegungen
plötzlich wieder koordiniert ausgeführt werden, er kann sogar wieder gehen.
Insbesondere Gehörlosen helfen diese Implantate enorm. Als irreparabel eingeschätzte
Taubheit wird somit heilbar. Der zuvor behinderte Mensch wird plötzlich frei;
in seinen Bewegungen, in seinen Möglichkeiten.
Doch damit nicht genug. Durch ein immer umfassenderes Verständnis des Gehirns
sind heute Medikamente in greifbare Nähe gerückt, die direkt auf bestimmte
Charaktereigenschaften des Menschen wirken. Spinnenphobie und Schüchternheit,
Aggressivität und Mordlust werden somit früher oder später ganz der Vergangenheit
angehören.
Doch hier scheinen sich plötzlich Gehirn und Person gegenüberzustehen.
Gerade bei schwierigen Personen scheint Handlungsbedarf zu bestehen:
lex mordet, quält, vergewaltigt, lügt und liebt genau dieses perverse Leben.
Doch er würde alles tun, um dem Knast zu entkommen. Unter der Bedingung,
sich einer Gehirnwäsche zu unterziehen, kommt er raus – als moralischer,
guter Mensch wider Willen. Nun entspricht er der Norm, doch nicht mehr sich selbst,
er ist ein anderer geworden.
Stan Kubricks Film, Clockworck Orange, ist aktueller den je. Aus "Fiction"
der 1980er wird "Reality" des 21. Jahrhunderts.
Die Analogie zu Schönheitsoperationen macht deutlich, vor welches Problem
unsere Gesellschaft gestellt wird: Ich kann mir meine Segelohren anlegen lassen,
wobei es dabei nicht darum geht, besser hören zu können. Genauso kann ich mir
meine Schüchternheit nehmen lasse – um einen "schöneren" Charakter zu bekommen?
Und was ist eigentlich schön???
Bedeutet der medizinische Fortschritt nun Heilung oder Normierung,
gewinnen wir an Freiheit oder müssen wir uns auf neue Mechanismen sozialer
Kontrolle einstellen?
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überblick
mo 29/01/07 - F I L M - Bambule
[brd ´70 R: Eberhard Itzenplitz, Buch: Ulrike Meinhof]
Bambule ist eine detailgenaue Anklage der unmenschlichen und autoritären Bedingungen
in Erziehungsheimen, über die Ulrike Meinhof jahrelang recherchiert hatte.
Die Protagonistinnen sind Mädchen und junge Frauen, die in einem Mädchenheim
mit strengen Regeln und sinnlosen Bestrafungen "resozialisiert" werden sollen.
Die Mädchen rebellieren, es kommt zum Aufstand, zu Bambule. Zwei junge Frauen
können fliehen, eine wird kurze Zeit später wieder aufgespürt. Der Film war
eine Fernsehproduktion des SWR und sollte am 24.5.1970 ausgestrahlt werden,
doch da zehn Tage vorher Ulrike Meinhoff an der Gefängnisbefreiung Andreas
Baaders beteiligt war, wurde die Sendung ausgesetzt. 1994 wurde der Film erstmals
im Fernsehen gezeigt.
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überblick
do 01/02/07 V O R T R A G - Wer nicht passt, wird passend gemacht? - Disziplinierung in Schulen
ReferentIn: Kritische LehrerInnen
Pädagogische Disziplinierung erscheint in aktuellen Debatten als schiere Notwendigkeit:
Müssen sich doch arme LehrerInnen gegen die angeblich ausufernde Gewalt von SchülerInnen
zur Wehr setzen. Zugleich haben Erziehungsratgeber, die ganz offen eine (noch)
autoritärere Pädagogik fordern, Konjunktur.
Aber wie verhält sich das zur zeitgleichen Tendenz auch systemtragender Kräfte,
reformpädagogische Methoden in Schulen zum Einsatz zu bringen, selbständiges Lernen
und den Abbau konservativer Strukturen zu fordern?
Wir wollen in unserem Vortrag fragen, welche Funktion schulischer
Disziplinierung in kapitalistischen Gesellschaften zukommt und diskutieren,
wie die derzeitigen Entwicklungen eingeschätzt werden können.
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überblick
do 08/02/07 V O R T R A G - Psychologisierung des Strafvollzugs
ReferentIn: Lorenz Huck
Die These des einleitenden Referats soll (mit Foucault) sein, dass es so etwas
wie eine nachträgliche Psychologisierung des Strafvollzugs nicht gibt, sondern
die Entwicklungslinien moderner Humanwissenschaften und staatlicher
Kontrollinstitutionen seit ihrer Entstehung miteinander verwoben sind.
Es soll dann anhand einiger Beispiele gezeigt werden, wie aktuelle Strafvollzugspraxis
psychologisch legitimiert wird: Unter anderem anhand der behavioristischen Organisation
der Berliner Jugendstrafanstalt und anhand von Anti-Aggressions-Therapien.
Durch diese Beispiele soll auch verdeutlicht werden, wo möglicherweise
Schwächen oder Leerstellen der Foucaultschen Theorie liegen - insbesondere
wollen wir mit euch diskutieren, inwieweit die potentielle Widerständigkeit
der Subjekte nicht hinreichend thematisiert ist.
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überblick
mo 12/02/07 - F I L M - A CLOCKWORK ORANGE
[UK ´71 R: Stanley Kubrick, D: Malcolm McDowell]
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Der charmante Soziopath und Beethoven-Fan Alex de Large lebt in einer bis
zur Lächerlichkeit durchsexualisierten Gesellschaft in der nahen Zukunft
(also von 1971 aus gesehen) und ist Anführer einer Jugendbande, den Drooges.
Deren Freizeitaktivitäten bestehen aus Milchtrinken, Beethovenhören,
Schlägereien und Vergewaltigung.
Nach seiner Verhaftung wird Alex angeboten an einem Umerziehungs-Programm teilzunehmen,
um seine Haftzeit zu verkürzen. Dieses Programm, das eingerichtet wurde, um
in den Gefängnissen mehr Platz für politische Gefangene zu schaffen,
besteht in dem Versuch einer völligen Umprogrammierung des Charakters
des Delinquenten vermittels neuester medizinischer Methoden.
Im Anschluss diskutieren wir darüber, wie weit sich unsere Gegenwart
dieser Science-Fiktion-Groteske von Stanley Kubrick schon angenähert hat.
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überblick
do 15/02/07 F I L M - ENGEL DES UNIVERSUMS
[ISL ´00 R: Friđrik Ţór Friđriksson, D: Ingvar Eggert Sigurđsson]
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Aus recht heiterem Himmel wird Paul schizophren und leidet unter zunehmendem
Verfolgungswahn bis er schliesslich in der Psychatrie landet. Dort gibt es die
klassisch-sadistischen ärzte und Pfleger, aber auch Leute, die das mit
dem Wahnsinn nicht als ein wirkliches Problem der einsitzenden Leute
begreifen. Bald verbindet ihn mit Oli, der vor seiner Einlieferung alle
Beatlessongs geschrieben und der Band per Telepathie geschickt haben will,
und mit Viktor, der sich einbildet, Hitler zu sein, so etwas wie eine Freundschaft.
Auf einem gemeinsamen Freigang sehen wir, dass auch die "Normalität" sehr brüchig ist.
Mit Medikamenten ruhig gestellt, wird seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft
versucht, er wird in einen scheusslichen Sozialbau gesteckt. "Niemand in meiner Lage
sollte davon träumen auf der gesellschaftlichen Leiter höher zu steigen als in das
oberste Stockwerk des Sozialasyls. " Willkommen zurück in der "Normalität"…
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überblick
do 22/02/07 F I L M - FIGHT CLUB
[USA ´99 R: David Fincher, D: Brad Pitt, Edward Norton, Helena Bonham Carter]
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Selbsthilfegruppen gibt es für alles mögliche: Krebspatienten, Leukemiekranke,
Essgestörte, Vergewaltigungsopfer, Sexualstraftäter, Arbeitslose, Workaholics,
Spielsüchtige und Messis.
Und der Protagonist von "Fight Club" ist süchtig nach ihnen. Zwar plagt ihn
keines der Probleme, die hier unter LeidensgenossInnen aufgearbeitet werden
sollen, aber diese Sitzungen stellen den einzigen Nervenkitzel in seinem
langweiligen Leben als Angestellter bei einem Automobilkonzern dar.
So lange bis er eine eigene Selbsthilfegruppe aufmacht: Aus seinem
illegalen Boxverein für frustrierte Männer entwickelt sich eine situationistische
Guerilla-Truppe, die sich versucht über das Trauma hinwegzuhelfen, dass sie einer
Generation angehört, die "keinen grossen Krieg" hat: "Unser grosser Krieg ist ein
spiritueller!"
Inzwischen gibt es - nicht nur in den USA, auch in Deutschland - "Fight Clubs",
die sich allerdings nur auf den ersten Teil des Films stützen: testosterontriefende
Prügelbuden für das Proletariat. Ein furchtbares Missverständnis oder die erwartbare
Konsequenz dieses Films?
Anhand des Films wollen wir über Selbsthilfegruppen und ihre gesellschaftliche
Funktion diskutieren.
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