Die Filmreihe an der HU im WiSe 02/03.

Seit es Fotographie und Film gibt, sind die Möglichkeiten der Überwachung kaum zu ermessen. Doch ebenso beschäftigt sich Film kritisch mit der Überwachung von Menschen durch Mensch und Staat. Im Rahmen dieser Filmreihe an der HU werden mehr oder weniger bekannte Filme gezeigt, die sowohl Opfer als auch Täter versuchen darzustellen. Eingeleitet durch kurze Vorträge, soll nach den Vorstellungen der thematische Schwerpunkt kritisch diskutiert und mögliche Bezüge zum tatsächlichen Ist-Zustand in der BRD hergestellt werden.

Für Informationen zum Film den Link anklicken:

24. Oktober 2002, 20 Uhr: Staatsfeind Nr.1

7. November 2002, 20 Uhr: Guy

28. November 2002, 20 Uhr: Peeping Tom

5. Dezember 2002, 20 Uhr: Das unsichtbare Auge

9. Januar 2003, 20 Uhr: Sliver

23. Januar 2003, 20 Uhr: Schuldig bei Verdacht

6. Februar 2003, 20 Uhr: Die Tausend Augen des Dr. Mabuse


Achtung! Alle Filme, bis auf Staatsfeind Nr.1, werden um 20 Uhr im SBZ Krähenfuss, Humboldt Universität (Unter den Linden 6, Ostflügel), gezeigt. Vorher gibt es das SaU-Cafe und das für alle Interessierten offene Treffen. Eintritt ist selbstverständlich frei.




Raum 300 (Fachschaft SoWi), Dorotheenstr. 26, 24. Oktober 2002, 20 Uhr:

Staatsfeind Nr.1 (USA 98, R: Tony Scott, D: Will Smith, Gene Hackman)

Ein junger Naturwissenschaftler beobachtet mit seiner Videokamera den Mord an einem US-Senator. Um eine Aufdeckung seiner Verschwörung zu verhindern, versucht nun Thomas Reynolds, Chef der NSA, alles ihm mögliche, um die Aufnahmen in die Hände zu bekommen. Die besitzt mittlerweile der junge Anwalt Robert Dean (Will Smith), ohne auch nur einen Schimmer davon zu haben, was er da eigentlich mit sich herumschleppt.
Es beginnt eine Verfolgsjagd mit allen Möglichkeiten moderner (Überwachungs-)Technik: Dean verliert seine Familie, seinen Beruf, sein Geld und seine Kleidung. Seine Verfolger sind ihm scheinbar immer einen Schritt voraus und er am Rande der Verzweiflung.
Tony Scott ist ein spannender Action-Thriller gelungen, der gleichzeitig ein deutliches Plädoyer gegen den Überwachungsstaat ist. Der NSA fällt es leicht, Dean’s Daten zu verändern, ihn mit Hilfe von Wanzen und Satelliten zu überwachen und jedes noch so kleine Detail aus seinem Leben gegen ihn zu verwenden. Es wird deutlich, wie gefährlich Informationen sein können, wenn sie gegen die Menschen gerichtet werden. Der absolute Überwachungsstaat aus Orwells’ 1984 findet sich hier unter dem liberalen Deckmantel einer an wirtschaftlichen Interessen orientierten Demokratie.

Nach Oben


Krähe HU (gegenüber vom Kinosaal), 7. November 2002, 20 Uhr:

Guy (UK/USA/D 96, R:Michael Lindsay-Hogg, D: Vincent D´Onofrio, Hope Davis)

Eine junge Filmstudentin will das Privatleben eines ganz normalen Menschen aufnehmen. Sie findet Guy und folgt ihm. Guy ist sehr irritiert über die Frau, die ihn die ganze Zeit verfolgt, immer durch die Kamera guckt, nie sich selbst zeigt. Auch wir sehen immer nur das, was sie filmt. Sie verrät noch nicht mal ihren Namen, verfolgt Guy aber bis in sein Schlafzimmer. Er versucht sie loszuwerden, vergeblich. Nach einer Weile gewöhnt er sich an die Kamera, geniesst die Situation sogar – ihm gefällt es, dass sein Privatleben wert ist, gefilmt zu werden. Doch auch vor Guys Freundin macht sie nicht halt, alles muss gefilmt werden. Die Konflikte verschärfen sich, als Guy versucht, sich für die Frau hinter der Kamera zu interessieren. Sie versucht sich zunächst hinter der Kamera zu verstecken, sich mit der Kamera gegen seine Avancen zu schützen. Doch sie schafft es nicht, die Barriere aufrechtzuerhalten, die Gefühlslage explodiert.
Guy schwankt zwischen der Angst vor der Überwachung, vor dem Verletzen der Privatsphäre und der Lust, beobachtet zu werden. Als ZuschauerInnen werden wir direkt als ÜberwacherInnen integriert – Wir sind es, die in Guys Leben brutal eindringen, jede seiner Bewegungen registrieren, sein komplettes Leben auseinandernehmen.

Nach Oben


Krähe HU (gegenüber vom Kinosaal), 28. November 2002, 20 Uhr:

Peeping Tom (GB 60, R: Michael Powell, D: Karlheiz Böhm, Moira Shearer)

Als Kind war Mark Lewis das Opfer bizarrer Überwachungs-Experimente seines Vaters, eines Wissenschaftlers, der die Auswirkungen von Angst auf das Nervensystem studieren wollte. Dazu präparierte dieser beispielsweise Marks Bett mit Echsen, um dann sein Erschrecken zu filmen. Nach dem Tod seiner Eltern arbeitet Mark in einem Filmstudio und macht nebenbei noch Pinup-Fotos.
Doch sein Vater lässt ihn nicht los: Mit einer Konstruktion aus Kamera und Mordwerkzeug ermordet Mark Frauen und filmt sie gleichzeitig dabei, um den Ausdruck des Schreckens im Moment des Todes einzufangen. Parallel zu den Experimenten seines Vaters sind die Opfer imstande, durch einen auf der Kamera installierten Spiegel ihre eigene Todesangst zu sehen. Mark befreundet sich eines Abends mit Helene, einer Frau, die neu in sein Haus gezogen ist – kann sie ihn von seinem Wahn befreien oder ist seine Sucht nach der Beobachtung der Angst grösser - und sie wird nur zu einem weiteren Opfer?
Peeping Tom bezieht uns in Marks Voyeurismus ein, wir sehen seine zwanghafte Schaulust gleich doppelt, einmal durch seine Augen, später in der Aufzeichnung, die er Helene vorführt.

Nach Oben


Krähe HU (gegenüber vom Kinosaal), 5. Dezember 2002, 20 Uhr:

Das unsichtbare Auge (USA 78, R: John Carpenter, D: Lauren Hutton, David Birney)

Die junge Frau Leigh Michaels zieht in ein Hochhaus in Los Angeles ein und wird von da an mit einem Fernrohr beobachtet und durch obszöne Anrufe belästigt. Am Abend bekommt sie einen Brief der Firma "Excursions Unlimited", in dem steht, dass sie sich auf eine lange Reise vorbereiten soll. Später bekommt sie ein Fernrohr und einen Bikini geschickt, auch von der dubiosen Firma. So wendet sie sich an die Polizei, doch die kann ihr nicht helfen, es sei schliesslich noch nichts passiert. Auf eigene Faust versucht sie mit einer Freundin den Anrufer zu finden. Tatsächlich entdecken sie im Nachbarhaus einen Mann mit Fernrohr. Die Polizei verhaftet ihn, doch schon am nächsten Morgen erhält sie einen Brief mit dem Hinweis, das Beseitigungsverfahren sei eingeleitet worden – und die Polizei glaubt ihr nicht mehr...
Nicht zufällig schickt der voyeuristische Psychopath ihr ein Fernrohr – sie soll sein "Vergnügen" teilen. Teilweise stark an Rear Window angelehnt, wird dessen heimelige Hinterhofszenerie hier in zwei Hochhausblöcke verwandelt, deren voyeuristisches Potential sich erst via Fernrohr entfaltet – dafür gestaltet sich die Entdeckung des Beobachtetwerdens auch dementsprechend schwierig.

Nach Oben


Krähe HU (gegenüber vom Kinosaal), 9. Januar 2002, 20 Uhr:

Sliver (USA 93, R: Phillip Noyce, D: Sharon Stone, William Baldwin, Polly Walker, Tom Berenger)

Carly Norris (Sharon Stone) zieht nach ihrer Scheidung in ein Hochhaus in Manhatten. Dort trifft sie auf geheimnisvolle Nachbarn. Nach und nach kommt sie dem ein oder anderen Geheimnis auf die Spur. Dabei stösst sie auf eine ausgefeilte Überwachungsanlage, betrieben vom Besitzer des Hochhauses, Zeke Hawkins (William Baldwin). Dieser ist in der Lage, jeden Raum in jeder Wohnung des Hauses über Videomonitore zu beobachten.
Die Abscheu vor dem Eindringen in die Privatsphäre der Bewohner, weicht schnell der Neugierde und dem Voyeurismus. Carly kann sich selbst dem Drang nicht entziehen, zerstärt aber zum Schluss die Monitore.
Der (versteckte) Zuschauer ist Voyeur, das gilt nicht nur für Carly, sondern auch für das Kinopublikum. Wir nehmen an der Intimsphäre der HausbewohnerInnen teil, beobachten diese durch die Kamera, genauso wie Zeke Hawkins. Zwar gelingt es Regisseur Phillip Noyce über den eher dürftigen Plot hinweg nicht, eine ähnliche Begeisterung für den Voyeurismus zu wecken, dennoch wird sein (versuchtes) Plädoyer deutlich: JedeR kann Voyeur sein und ist es vielleicht sogar, denn der Reiz des unbeobachteten Beobachtens, trotz Skrupel, lässt sich nur schwer ignorieren. Die Abgründe zwischen Voyeurismus und dem Recht auf Privatsphäre werden offengelegt und zeigen somit eine Facette des Problems von Überwachung.

Nach Oben


Krähe HU (gegenüber vom Kinosaal), 23. Januar 2003, 20 Uhr:

Schuldig bei Verdacht (USA 91, R: Irwin Winkler, D: Robert DeNiro, Anette Bening, George Wendt)

David Merrill, ein fiktiver Hollywood-Starregisseur in den 50ern, kehrt aus Frankreich in die USA zurück, wo er vor den Ausschuss für Un-amerikanischen Aktivitäten geladen wird. Dieser Ausschuss, von McCarthy einberufen, sollte das (vermeintlich) kommunistisch unterwanderte Hollywood von kommunistischen, also un-amerikanischen Aktivitäten säubern. Er verweigert sich anfangs aus Prinzip, was zur Konsequenz hat, dass es ihm unmöglich ist, an seinem Film weiterzuarbeiten. Er wird mehr oder minder rausgeschmissen, solange er nicht "die Situation bereinigt", also vor dem Ausschuss aussagt, sich von kommunistischen Tätigkeiten lossagt und dem Ausschuss Namen von anderen (vermeintlichen) Kommunisten nennt. Der Versuch, sich über Wasser zu halten, indem er für drittklassigen Produktionen arbeitet, scheitert genauso wie die Arbeit am Broadway oder gar in einem kleinen Reparaturgeschäft für Kameras. Einmal, weil das gesellschaftliche Klima es nicht erlaubt und der Produzent selber Angst hat, das andere Mal, weil die FBI-Agenten ihn schon ausfindig gemacht haben und beobachten. Unter diesem Druck nimmt er ein neues Angebot seines alten Studios an, mit der Auflage, vor den Ausschuss zu treten.
Das gesellschaftliches Klima, das damals die Kommunisten-Jagd möglich gemacht hat, ist heute eines, das jeden arabisch-aussehenden Menschen zum potentiellen Terroristen macht. Die Bevölkerung wird aufgefordert, "Verdächtige" zu melden, Denunziation von Unbeliebigen oder gar Freunden ist Teil dieses Systems.

Nach Oben


Krähe HU (gegenüber vom Kinosaal), 6. Februar 2003, 20 Uhr:

Die Tausend Augen des Dr. Mabuse (F/I/BRD 60, R: Fritz Lang, D: Dawn Addams, Peter van Eyck, Gerd Fröbe)

"Der Reporter Barter kommt bei einer Fahrt vom Hotel Luxor in das Fernsehstudio auf mysteriöse Weise ums Leben. Die Obduktion stellt fest, dass Barter durch eine winzige Stahlnadel im Schädel umgebracht wurde, was das Bundeskriminalamt und Interpol auf den Plan ruft. Ein alter Mitarbeiter der Polizei erinnert sich an den genialen Verbrecher Dr. Mabuse, der vor der Machtergreifung Hitlers in einem Irrenhaus starb. Man erkennt merkwürdige Parallelen zwischen dem aktuellen Fall und den Verbrechen von einst. Ist Mabuse am Leben? Die Suche nach einer Antwort führt Inspektor Kras zu dem geheimnisvollen Hellseher Cornelius und in das angesehene Hotel Luxor, in dem neben Fernsehreporter Barter auch noch zahlreiche weitere Opfer ungeklärter Verbrechen wohnten..." (http://deutscher-tonfilm.de/dtaddm1.html).
Fritz Lang beschäftigt sich in diesem Film aus seiner Dr. Mabuse-Reihe mit den Möglichkeiten von Überwachungstechniken. Um seine finsteren Pläne zu erreichen, nutzt der Bösewicht Videoüberwachung aus. Dadurch erreicht er einen wesentlichen Vorteil: er ist im Besitz von wichtigen Informationen. Wie notwendig Informationen sind, verdeutlich Lang auch an dem Beispiel, dass Inspektor Kras sogar auf einen Hellseher zurückgreift, um den Fall zu lösen. Das akribische Datensammeln, also die Überwachung, wird zur einzigen Grundlage, Probleme zu lösen.

Nach Oben


Informationen zur Filmreihe im Sommersemester 2002